Netzbetreiber und Lieferant – zwei unterschiedliche Marktrollen

Regelmäßig rufen Kunde nach einem erstmaligen Wechsel an der Hotline des bisherigen Energieversorgers an und erkundigen sich, wieso dieser weiterhin ihren Zähler abliest. Sie übersehen dabei, dass die Ablesung nicht durch den örtlichen Grundversorger, sondern durch den Netzbetreiber erfolgt.

In vielen Fällen ist ein Stadtwerk oder ein Regionalversorger sowohl Netzbetreiber als auch Grundversorger. Beide Aufgabenbereiche sind auf Grund der gesetzlichen Anforderungen an die Marktrollentrennung jedoch strikt zu trennen, so dass es sich um zwei getrennte Betriebe innerhalb eines Unternehmens handelt. Wer als direkter Mitarbeiter oder auch als Angestellter in einem Dienstleistungs-Callcenter Zugang zu Kundendaten hat, darf nicht gleichzeitig die Daten des Netzbetriebes einsehen können. Aus diesem Grund weiß der Mitarbeiter im Call-Center des Versorgers nicht, ob ein bei ihm nicht belegter Zähler zu einer Leerwohnung gehört oder ob der Bewohner der zugehörigen Wohnung von einem anderen Lieferanten mit Strom versorgt wird. Einige Daten wie Zählerstände müssen in beiden Systemen identisch geführt werden; diese Daten tauschen die Rechner der Netzbetreiber und der Lieferanten automatisch aus. Die Mitarbeiter der Unstimmigkeiten zwischen dem Lieferanten und dem Netzbetreiber bearbeitenden Clearing-Stelle müssen für die Durchführung ihrer Arbeit zwingend auf Daten aus beiden Bereichen zurückgreifen können; sie dürfen jedoch keinen direkten Kontakt zu Kunden haben. Mit der strengen Trennung der Marktrollen stellt der Gesetzgeber sicher, dass ein mit dem Netzbetreiber assoziierter Lieferant keinen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verfügt.

Für den Kunden bedeutet die Marktrollentrennung, dass er in bestimmten Fällen wie der Bekanntgabe des Zählerstandes, soweit dieser nicht ausnahmsweise direkt vom Versorger angefordert wurde, oder auch bei einer Störung den Netzbetreiber und nicht den Stromlieferanten anrufen soll. Die Mitarbeiter des Versorgers können für den Netzbetreiber bestimmte Nachrichten zwar über ein internes Nachrichtensystem weiterleiten, dabei geht gegenüber der direkten Wahl des richtigen Ansprechpartners aber Zeit verloren. Zudem verursacht die vermeidbare Weiterleitung von Informationen Kosten, so dass sie zu erhöhten Strompreisen beiträgt.

Ungerechtigkeit am Strommarkt: Große Unternehmen werden von den Netzkosten befreit

Eine der Ursachen der Strompreiserhöhungen im aktuellen Jahr ist eine neu eingeführte Industrieumlage bei den Netzgebühren. Diese Umlage wurde erforderlich, da nach einer Entscheidung der Bundesregierung Konzerne eine Befreiung von den Netzentgelten beantragen können, sobald sie mindestens zehn Gigawattstunden Strom innerhalb eines Jahres verbrauchen. Während die Bundesregierung ursprünglich vermutete, dass etwa 150 Unternehmen einen entsprechenden Antrag stellen würden, haben tatsächlich innerhalb kurzer Zeit 250 Konzerne die erfolgreich die Befreiung von den Netzkosten beantragt. Da die Netzbetreiber nicht auf Einnahmen verzichten können, müssen private Haushalte ebenso wie alle nicht unter die Befreiungsmöglichkeit fallende Unternehmen die Kosten der Maßnahme tragen. Die Umlage erhöht die Stromkosten zwar nur um 0,15 bis 0,2 Cent je verbrauchter Kilowattstunde, sie stößt jedoch angesichts zahlreicher Belastungen der Stromkunden auf Verärgerung.

Der Stromkunde zahlt in Deutschland die Netzrechnung nicht direkt an den Stromnetzbetreiber, sondern leistet seinen Anteil an den Netzkosten durch die Begleichung der vom Versorger zugeschickten Stromrechnung, wobei dieser die Netzkosten einpreist und zu Informationszwecken gesondert angibt. Wenn Lieferanten die neue Industrieumlage nicht oder erst verspätet in den Strompreis einrechnen, tragen sie die Kosten selbst. Dieser Effekt tritt bei den meisten mit einer Preisgarantie verbundenen Stromlieferverträgen ein, da die Lieferanten sich zwar zusätzliche Steuern ebenso wie eine Veränderung der EEG-Umlage als Ausnahmegründe für eine Preisanpassung trotz der Garantie vorbehalten haben, weitere Umlagen aber nicht unter die Ausschlussklausel fallen. In jedem Fall werden auch Kunden mit einer Preisgarantie im Stromliefervertrag die Umlage nach dem Ablauf der Garantiefrist zahlen; lediglich die Energieversorgung Wangerland hat als einziges Unternehmen erklärt, die Mehrkosten aus dem eingeplanten Gewinn zahlen zu wollen. Die begünstigten Großkonzerne halten ihre Befreiung von den Netzentgelten für gerechtfertigt. Sie behaupten, durch die hohe und regelmäßige Nachfrage nach Energie zur Netzstabilität beizutragen. Dieses Argument ist für Verbraucherverbände nicht nachvollziehbar, diese fordern eine Rücknahme der Befreiung großer Konzerne von den Stromnetz-Entgelten.